Roland Ionas Bialke - Indymedia - 19. März 2008
Heute, am 19. März 2008, fand in Berlin eine Gerichtsverhandlung gegen
einen Antifaschisten statt. Diesem wurde vorgeworfen am 30. April 2007,
bei den Feierlichkeiten in der Walpurgisnacht, eine Flasche auf
Polizisten geworfen zu haben und bei der folgenden Festnahme sich
widersetzt zu haben.
Der Antifaschist wurde damals festgenommen, wurde einen Haftrichter
vorgeführt, und musste sich seit dem zwei Mal pro Woche bei der Polizei
melden. Dies war aber nicht der einzige Kontakt mit der Polizei nach
diesem Vorfall. Wochen danach stand ein Zivilpolizist der Einheit
"politisch motivierte Strassengewalt" (PMS links) vor seiner Tür. Der
Antifaschist öffnete die Tür, worauf sich der Kriminalpolizist in ziviler
Kleidung als Polizist auswies. Der überraschte und unerfahrene
Antifaschist lies sich in ein kurzes Gespräch verwickeln, wobei der
PMSler versuchte Informationen zu gewinnen und den Antifaschisten als
Opfer darzustellen. Der Polizist lies sich die Handynummer des
Antifaschisten geben und rief Tage später an um weitere Informationen
herauszubekommen.
Bei der heutigen Verhandlung waren auch zwei Zivilpolizisten vom LKA 63 (PMS links) anwesend. Einer der beiden war in einem Gerichtsverfahren als Codiernummer 33793 aufgetreten. Ausserdem waren fünf ProzessbeobachterInnen neben einem Anti-Antifa, der sich selbst als "nationaler Sozialist" definiert, da.
Zu beginn der Verhandlung setzte sich ein Polizist der Berliner Einsatzhundertschaft 23 in Kampfmontur als Zuschauer in den Gerichtssaal. Die beiden Zivilpolizisten blieben draussen und unterhielten sich mit den drei Polizisten die als Zeugen anwesend waren und später auch aussagen mussten.
Der im Publikum sitzende Polizist wurde von der Richterin gefragt was er denn im Gerichtssaal mache. Dieser sagte nur, dass er seine Kollegen begleiten würde. Dass das aber gelogen war, zeigte, dass er sich kurz nach der Vernehmung des ditten Polizisten ein technisches Gerät verdeckt von Codiernummer 33793 geben lies. Was das für ein Gerät war und ob es überhaupt verfahrensrelevant ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Ein Zweck der Anwesenheit des Polizisten war aber eindeutig die Einschüchterung des Angeklagten und der anwesenden ProzessbeobachterInnen.
Die Richterin verbot zu beginn der Verhandlung gleich das mitschreiben. Dies begründete sie mit der Strafprozessordnung. Sinngemässes Zitat: "Ich habe ja das Recht nach der StPO zu bestimmen wer was in der Gerichtsverhandlung macht." Allerdings regeln die Paragrafen 169 bis 183 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) das Zulassen der Öffentlichkeit und die möglichen Einschränkungen der Öffentlichkeit.in Gerichtsverfahren. Die Einschränkung des Persönlichkeitsrechts durch ein Verbot des Mitschreibens bei Gerichtsverhandlungen ist rechtswidrig.
Der Antifaschist sagte nicht aus. Daher kam als erstes nach der Verlesung der Anklageschrift ein Polizist der Berliner Einsatzhundertschaft 23 zum Aussagen dran. Dieser bat die Richterin nicht seinen Namen nennen zu müssen. Dies begründete er mit § 68 StPO - Er hatte Angst seine Identität preiszugeben, weil er zuerst wegen einen Linksextremisten im Gerichtssaal, dann wegen einen Anti-Antifa im Gerichtssaal, sein Leib, sein Leben oder seine Freiheit bedroht sah. Er gab an, dass sein Name dann wahrscheinlich im Internet veröffentlicht würde und er dann Angriffen ausgesetzt sei. Die Richterin lehnte aber seine Bitte ab.
Der Polizist Florian Arendt, 28 Jahre, der sich mit der Nummer 233 auf seiner Einsatzuniform gekennzeichnet hatte, sagte aus, dass er den Angeklagten beim Flaschenwurf gesehen hätte. Aus einer Menschenmenge hätte der Angeklagte eine Flasche geworfen. Wichtig war auch, dass er Aussagte sich nicht mit seinen Kollegen über den Fall besprochen habe.
Danach kam sein Kollege Mathias (den Nachnamen habe ich leider nicht richtig verstanden, "Glierau" oder so ), 30 Jahre, an die Reihe. Er konnte sich nicht mehr genau erinnern was vorgefallen sei, denn er hatte als Mitglied einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) sechs Menschen in dieser Nacht fesrgenommen. Später erinnerte er sich ganz genau, auf Nachfragen des Anwalts, dass er nach der Festnahme den Beschuldigten fast sofort den Grund der Festnahme nannte. Auch er habe sich nicht mit seinen Polizeikollegen vorher über das Verfahren unterhalten oder sich mit ihnen gemeinsam vorbereitet.
Der dritte Zeuge, der Polizist Sven Feldmann, 37 Jahre, wurde zu einem zeitlich nahen Zeitpunkt vor der Festnahme von einer Flasche getroffen. Aber so "gezeckt" wie ein Stein aus 10 Meter Entfernung hätte die Flasche nicht. Panzerung sei dank. Ob es eine Flasche oder eine buntbemalte Vase gewesen war, das konnte er auf Nachfragen dann aber auch nicht sagen. Dafür sagte er aus, dass er sich vor der Verhandlung mit den vorher vernommenen Polizisten besprochen habe. Da sich das etwas mit den anderen Aussagen widersprach, versuchte der Polizist Arendt, nun Zuschauer, das dem Kollegen kurz zuzuflüstern.
Nun wurden drei kurze Videos gezeigt. Darauf war eine Person in einer roten Lederjacke zu sehen die etwas warf. Ein Gesicht oder Details konnte niemand erkennen, allerdings hatte der Fesrgenommene eine rote Lederjacke bei der Festnahme an.
Der Antifaschist wurde auch von der Jugendgerichtshilfe geladen. Da muss keine/r hingehen. Er wusste es nicht besser und ging hin. Dort machte er eine Aussage, die nun in der Gerichtsverhandlung gegen ihn verwendet wurde. Denn dort hatte er gesagt, dass er eine Flasche geworfen hatte.
Die beiden SchöffInnen und die Richterin verurteilten, trotz offensichtlicher Lügen der Polizisten, den Antifaschisten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Wochen auf drei Jahre Bewährung. Zusätzlich gab es noch über 200 Arbeitsstunden. Der Antifaschist wurde wegen "gefährlicher" Körperverletzung verurteilt, weil er eine Bierflasche bei sich trug, die vom Gericht als Waffe gewertet wird. Auch wird nun Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in seinem Führungszeugnis stehen. Die Polizisten gaben nämlich an, dass er passiven Widerstand geleistet hat [sic!] und er sich am Besten selbst festnehmen hätte sollen. "Er soll die Arme auf den Rücken legen."
Fazit:
Es waren viel zu wenig ProzessbeobachterInnen anwesend. Heute begann ein Verfahren gegen zwei Neo-Nazis, wegen eines Angriffs auf einen Imbiss in Lichtenberg, im Amtsgericht Tiergarten. Es hätten also mehr Antifaschisten vor Ort sein können. Die wenige Unterstützung ist traurig!
Ansonsten ist es dumm gewesen, dass der Antifaschist bei der Gerichtshilfe ausgesagt hatte und mit dem Zivilpolizisten sprach. Allerdings scheint es auch ein Defizit in "der Szene" zu geben, unerfahrene Menschen zu binden und aufzuklären.
Codiernummer 33793 vom LKA 63 - http://sondereinheit.fateback.com/0133.html
Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) - http://www.gesetze-im-internet.de/gvg/index.html