Roland Ionas Bialke / Initiative für einen Evolutionären 1. Mai - Indymedia - 21. April 2011
Berlin: Offener Brief zur Evolutionären 1. Mai-Demo 2011
Am 17. April 2011 wurde die 18 Uhr-Demonstration am 1. Mai 2011 in Berlin angemeldet. Unter dem Motto "Evolutionäre 1. Mai-Demonstration 2011 - Gegen die Zensur von Bombenbauanleitungen - Für den grossen Knall" wird ein Demonstrationszug am 1. Mai 2011 ab 18 Uhr vom Kottbusser Tor (Kreuzberg) zur Hermannstrasse (Neukölln) ziehen. Da nach Anmeldungen von Demonstrationen in Berlin durch linke Gruppen regelmässig Absprachen mit der Polizei getroffen wurden, diese aber oft nicht dokumentiert und veröffentlicht werde, wird das hier einmal anders gemacht. In einem offenen Brief werden die Vertreter und Vertreterinnen der Berliner Versammlungsbehörde zu einem öffentlichen Kooperationsgespräch eingeladen, bei denen Pressevertreter und Pressevertreterinnen ebenso willkommen sind.
Zusammenarbeit mit der Polizei würde wohl niemand von "radikalen" Gruppen erwarten. Tatsächlich taten das aber in Berlin alle grossen Gruppen und Initiativen - alle "Radikalen" und "Revolutionären" die in den letzten Jahren Demonstrationen angemeldet haben. Die Frage nach dem "Warum" muss näher beleuchtet. Um beworbene Versammlungen unter freiem Himmel legal durchzuführen, brauch es nur eine Anmeldung. Mehr nicht. Die Versammlungsbehörde versucht aber regelmässig irgendwelche Auflagen zu erteilen - Was Einschränkungen für die Versammlung bedeutet. Mit der Teilnahme an einem "Kooperationsgespräch" mit der Polizei erhoffen sich die Veranstalter und Veranstalterinnen einige dieser "Auflagen" abzuwenden.
Doch was passiert dort tatsächlich: Auflagen gibt es so oder so bei angemeldeten Demonstrationen. In der Regel verraten die Veranstalter und Veranstalterinnen die Demonstranten und Demonstrantinnen an die Polizei. Beispielsweise wird im gegenseitigen Einvernehmen vereinbart, dass verdeckte Ermittler und Ermittlerinnen der Polizei die Demonstration infiltrieren dürfen. Ebenso erhalten die am Kooperationsgespräch teilnehmenden Polizisten und Polizistinnen ein Bild von den anmeldenen Personen, was ein Ausschlussverfahren für andere Ermittlungen begünstigt. Eigene Forderungen werden nicht gestellt und ein selbstorganisiertes Handeln von den späteren Demonstrationsteilnehmern und Demonstrationsteilnehmerinnen wird so gehemmt. Was sonst noch so gesagt wird, bleibt meistens ein Geheimnis zwischen Polizei und den anmeldenen Personen. Das in den letzten Jahren fast keine Protokolle von solchen "Gesprächen" veröffentlicht wurden, spricht Bände.
Darum wird das bei der Evolutionären 18 Uhr-Demonstration am 1. Mai in Berlin etwas anders verlaufen. Es wird am 27. April 2011 ein öffentliches Kooperationsgespräch geben, an dem die zukünftigen Demonstranten und Demonstrantinnnen mitwirken können. Die Presse ist auch eingeladen! Und diesmal können Wir die Initiative ergreifen. Polizisten ohne Pfefferspray und ohne Schusswaffen, keine Wasserwerfer und Drohnen - Das und vieles mehr ist möglich.
Sollte die Polizei zu diesem Kooperationsgespräch nicht erscheinen, so müssen Wir davon ausgehen, dass die Polizei nicht kooperieren will. Sollte die Polizei da sein, jedoch nicht auf Unsere Punkte eingehen, dann ist dies ebenso ein Zeichen für die Kooperationsunwilligkeit der Polizei.
Hier der offene Brief, der auch als Einschreiben an die Berliner Versammlungsbehörde geschickt wurde:
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Roland Bialke
Postfach 440357
12003 Berlin
Der Polizeipräsident in Berlin
Landeskriminalamt
Versammlungsbehörde
LKA 572
Platz der Luftbrücke 6
12096 Berlin
OFFENER BRIEF - EINLADUNG ZUM KOOPERATIONSGESPRÄCH
Beamten und Beamtinnen der Versammlungsbehörde,
da ich zum 1. Mai 2011 von 18 und 21 Uhr in Berlin-Kreuzberg und Berlin-Neukölln unter dem Motto "Evolutionäre 1. Mai-Demonstration 2011 - Gegen die Zensur von Bombenbauanleitungen - Für den grossen Knall" angemeldet habe, gebe ich Ihnen die Gelegenheit an einem Kooperationsgespräch teilzunehmen, um weitere Dinge zum Verlauf der Versammlung gemeinsam zu klären.
Dieses Kooperationsgespräch findet am Mittwoch, den 27. April.2011 ab 17 Uhr im öffentlichen Raum und unter Einladung von Pressevertreter und Pressevertreterinnnen auf dem Vorplatz des Rathaus Neukölln (in 12053 Berlin, Karl-Marx-Strasse / Ecke Fuldaerstrasse) statt.
Ich habe Tagesordnungspunkte (Tops) zusammengetragen, die Wir besprechen werden. Ich möchte Sie darüber informieren, dass ein Fernbleiben von diesem Kooperationsgespräch rechtliche Konsequenzen für Sie haben kann!
Tagesordnungspunkte:
1. Einsatz chemischer Waffen
Für die zur Demonstration eingesetzte Polizisten und Polizistinnen sollen keine chemischen Waffen bei sich führen und daraus folgend auch nicht einsetzen. Eine Chemische Waffe, z.B. Pfefferspray ist, wenn es einmal ausgebracht wurde, kein zielgerichtetes Mittel. So bilden sich beim Aussprühen dieser Gase ätzende Wolken, die durch den Wind auch in angrenzende Wohnanlagen getragen werden und an Angriffen auf die Demonstration nicht-beteiligte Personen verletzen kann. Wenn in diesen Wohnungen Kleinkinder oder ältere Menschen mit Atemwegserkrankungen schlafen oder sich aufhalten, ist es möglich, dass durch die Polizei ausgebrachtes chemisches Kampfgas in deren Aufenthaltsräume strömt und diese Personen verletzt. Zudem verletzten sich Polizisten und Polizistinnen in den letzten Jahren beim Angriff auf Demonstrationen immer wieder selbst beim Sprühen von chemischen Kampfmitteln. Der Einsatz und die Mitnahme von chemischen Waffen durch die Polizei zu meiner angemeldeten Demonstration ist daher 1. aus Schutz der eingesetzten Polizisten und Polizistinnen zu unterlassen, 2..kein zeilgerichtetes Mittel und soll daher nicht geschehen.
2. Einsatz von Schusswaffen
Für die zur Demonstration eingesetzte Polizisten und Polizistinnen sollen keine Schusswaffen mit sich führen. Die Mitnahme von Schusswaffen zur Demonstration durch die Polizei ist zu unterlassen, weil unverhältnismässig. Bei und in einer friedlichen Demonstration haben keine Schusswaffen etwas zu suchen. Selbst bei anderen Demonstrationen, die unfriedlich verliefen, zeigte sich, dass kein Einsatz von Schusswaffen nötig war. Wo im Umfeld von Demonstrationen doch der gebrauch von Schusswaffen angedroht wurde, bot sich den drohenden Beamten auch kein individuelles Ziel, sondern es wurde der Tod von Menschen in Kauf genommen, die nicht an Straftaten beteiligt waren.
3. Schutzmassnahmen für begleitende Fahrzeuge
Da es in der Vergangenheit immer wieder zu Unfällen durch (Polizei-)Fahrzeuge in und neben Demonstrationen gab, haben sich pro Polizeifahrzeug mindestens 2 Beamte und Beamtinnen pro Fahrzeugachse um die in und im Umfeld der von mir angemeldeten Demonstration zu bewegen, um aufzupassen, dass niemand Gefahr läuft unter die Räder zu kommen. Darum sind auch alle zur Demonstration eingesetzten Fahrzeuge (PKWs, Wasserwerfer, Mannschaftswagen, etc.) durch Polizeibeamte und Polizeibeamtinnen zu schieben. Während der Demonstration sollte aus Sicherheitsgründen und vor allem für ihren eigenen Schutz kein Motor laufen.
4. Individuelle Kennzeichnung aller eingesetzten Beamten und Beamtinnen
Alle in und für die Demonstration entsannte Beamte und Beamtinnen der Polizei haben eein Namensschild mit ihrem Namen und ihrem Geburtsdatum gut sichtbar an ihrer Kleidung (Uniformen) zu tragen. In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Straftaten von einzelnen Polizisten und Polizistinnen den Ruf Unserer Polizei schädigten, da nicht erkennbar war, wer von den Polizisten und Polizistinnen diese Straftaten beging. Aus diesen Gründen ist es allein zu ihrem eigenen Schutz wichtig, dass sie sich individuell Kennzeichnen.
5. Offenlegung aller verdeckter Ermittler und Ermittlerinnen
In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Polizisten und Polizistinnen in ziviler Kleidung in die 1. Mai-Demonstrationen entsannt wurden. Alle in die von mir angemeldete Demonstration entsannten Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen haben sich mir gegenüber nach § 12 in Verbindung mit § 18 VersammlG als Polizist oder Polizistin erkennen zu geben. Ebenso bin ich darüber zu informieren, wer als innländischer oder ausländischer verdeckter Ermittler oder verdeckte Ermittlerin in die Demonstration entsannt wurde bzw. daran "teilnimmt". Wenn dies nicht geschieht, dann kann ich diesen Beamten und Beamtinnen auch keinen "angemessenen Platz" in der Versammlung einräumen Des Weiteren bin ich darüber zu informieren, welche Einheiten, deren polizeiliche Mitglieder in meiner Demonstration in ziviler Kleidung agieren, wie in und um meiner angemeldeten Demonstration eingesetzt werden Ebenso will ich den Namen dieser Einheitzen erfahren Beispielsweise zur am 1. Mai eingesetzte Einheit "FAO" (Fahndung - Aufklärung - Observation) der Direktion 5 habe ich Grund zur Annahme, dass dort nicht immer alles legal zuging und einige (ehemalige) Beamte Drogenprobleme hatten. Solche Menschen sollten nicht in einer Demonstration eingesetzt werden.
6. Zusammenarbeit mit zivilen Kräften und Einsatz technischer Mittel
Ebenso ist die Stabsstruktur des Einsatzes in und um meiner angemeldeten Demonstration offenzulegen. Wie arbeiten die Feuerwehr, das Technische Hilfswerk, die Bundeswehr und die Krankenhäuser mit der Polizei zusammen? Werden Daten von diesen zivilen Kräften (eventuell über Dritte) an die Polizei geleitet. Welche technischen Mittel werden zur Überwachung der Demonstration eingesetzt?
Roland Bialke
Berlin, den 20. April 2011
(Der offene Brief wurde per Einschreiben an die o.g. Polizeiadresse verschickt und als offener Brief auf baal-re-mesh.com veröffentlicht.)
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Kooperationsgespräch zur Evolutionären 1. Mai-Demo
27. April 2011 - 17 Uhr
Vorplatz des Rathaus Neukölln
Wichtig:
Zur Demonstration solltet Ihr Euch unbedingt gut vorbereiten. Schön viele bunte Transparente und Plakate malen! Denkt Euch was sinnvolles zum Rufen aus und macht kreative Aktionen! Es wird keine Lautsprecherwagen geben und kein Führer wird Euch was vorsingen - wie Ihr es von den anderen Demonstrationen gewohnt seid!